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Unternehmenskultur, Softwareentwicklung und Architektur

5. Mai 2021

Auf den Spuren von Münchhausens Zopf

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5 Minuten Lesedauer

In einem anderen Leben: Ein lustloses Betätigen der Return-Taste. Dann speichern und frustriert die Anwendung schließen. Auf meinem Nachhauseweg ringe ich schon jetzt mit dem nächsten Tag. In mir wehrt sich mit Händen und Füßen alles dagegen ein weiteres Mal meinen Platz vorm Rechner einzunehmen, um wieder zu versuchen die 8 Stunden irgendwie rumzukriegen.

Folgende Situation: Ich arbeite an einem Projekt, dessen Ergebnis für die Welt am Ende in etwa so viel Impact haben wird wie ein ausgefülltes Sudoku (fertig, nutzlos, wegwerfen). Der einzige Zweck meines Tuns scheint mir beschäftigt zu sein. Und nicht mal in den Genuss der Zusammenarbeit mit meinen Teamkollegen komme ich. Ich bin isoliert, eingesetzt als Einzelkämpfende. Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen: Auf absehbare Zeit wird sich an meiner Situation nichts ändern. Es nagt an mir. An meiner Lebensfreude und an meinem Selbstwert.

Was tun? Hinschmeißen und weglaufen – darauf hätte ich große Lust. Eine andere Wahl habe ich nicht – oder?

Photo by www_slon_pics on Pixabay

 

Zumindest bin ich nicht allein mit meinem Problem. Rückschrittliche Unternehmensausrichtung, ignorante Entscheidungsträger, langweilige Projektinhalte, … vielleicht kennst auch du Gründe, die dazu führen, dass einen die Arbeit frustriert. Und das Gefühl, sich innerlich dadurch von seinem Job zu entfremden, ist dir nicht neu. Neben offensichtlichen Stressfaktoren wie Termindruck oder Arbeitsüberlast ist fehlende Motivation ein nicht weniger gefährlicher, nur anders verkleidet. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Stressoren sind allgegenwärtig. Sie gehören zum Leben dazu, daran ist nicht zu rütteln. Entscheidend ist, wie wir auf sie reagieren und was diese Reaktion mit uns macht. Also: Wenn Stress eine von außen gegebene Komponente ist, folgt daraus, dass unser Spielraum in uns selbst liegt. Oh je, wie doof. Arbeit an sich selbst und dann bestimmt auch noch außerhalb der Komfortzone. Wenn du darauf keine Lust hast, lohnt es sich nicht weiterzulesen. Lauf lieber weg. Rette sich, wer kann.

Vom Dampfablassen und orientieren

Wow, du liest ja immer noch. Na, dann lass uns mal ins Handeln kommen. Entgegen der eben formulierten Aussage gibt es die Stellhebel im Außen aber doch. Wer sich alleine auf diesen ausruhen will, wird langfristig keine Verbesserung für sich schaffen können. Wirkungslos sind sie jedoch nicht. Die erste simple Maßnahme, die du ergreifen kannst, ist dich irgendwo auszuk***sprechen. Das ist total legitim. Werde bitte nur nicht zum Jammerlappen, sonst ziehst du auf Dauer andere in deine Frustration hinein. Und schildere deine Situation auch zur Abwechslung mal so, dass du darin heldenhaft in Erscheinung trittst: „Hört die Legende meines ungebrochenen Widerstandes gegen die dunklen Mächte der Sinnlosigkeit“.

Sprechen sollte dich fürs Erste vor dem Ertrinken retten. Bevor wir uns anschauen, welche weiteren Handlungsoptionen noch für dich bereitstehen, stell vorher sicher, dass du dir nicht die Zähne ausbeißen wirst. Liste dafür in Schlagworten die Hauptursachen für deine Frustration auf und frage dich: Ist das meine Angelegenheit? (Is it my business?) Dabei verweise ich auf die berühmten Zeilen: „gelassen hinnehmen, was man nicht ändern kann; mutig ändern, was man ändern kann und die Weisheit haben das eine vom anderen zu unterscheiden“ (frei nach dem Gelassenheitsgebet von Niebuhr). Wenn wir also beispielsweise über das Wetter sprechen oder die Charaktere anderer Menschen, sind wir eindeutig nicht im Bereich, der deine Angelegenheiten betrifft. Hier hast du zwei Optionen: Leave it or love it. Wobei darunter bitte nicht die romantische Liebe zu verstehen ist. Es wird herausfordernd genug sein die Dinge gelassen so anzunehmen, wie sie sind. Bei Faktoren, an denen du jedoch tatsächlich etwas ändern kannst (zur Erinnerung, dazu gehörst in erster Linie du selbst), gesellt sich eine dritte Option dazu: Change it.

Vom Blick ins Innerste

Etwas ändern. Damit zurück zu deinen Handlungsmöglichkeiten: Diesmal verlassen wir auch wirklich die Außenwelt, richten den Blick nach innen und vor uns eröffnet sich die chaotische und niemals ruhende Welt der Gedanken. Ist dir schon mal aufgefallen, dass dein Körper mit seinen Stressreaktionen nicht zwischen Realität und Vorstellung unterscheidet? Du kannst an einem herrlichen Sonntagmorgen entspannt im Garten sitzen – plötzlich fällt dir ein, dass morgen Montag ist. Du wirst unruhig und kommst ins Schwitzen, während du dir deinen Arbeitstag bildlich vorstellst. Paradox, oder? Während dein Körper an die Gegenwart gebunden ist, können deine Gedanken nach Belieben zwischen Vergangenheit, Zukunft und Fiktion hin und her springen. So ist es generell mit Ängsten, Sorgen und Befürchtungen. Deine aktuelle Situation ist ein Fakt der Gegenwart. Wie es damit weitergeht, ist reine Spekulation deiner Gedankenwelt. Und eben genau hier zu differenzieren und zu erkennen, dass du dich allein durch eine Annahme frustrieren lässt, ist ein machtvolles Instrument. Was macht das mit dir, wenn du diesen Gedanken glaubst? Ist es nützlich für dich diesen Gedanken zu glauben? Wie würdest du dich ohne diesen Gedanken fühlen? Glaubst du alles, was du denkst?

Mit diesem Schritt wollen wir deine Wahrnehmung und damit deine Stressreaktion positiv beeinflussen. Und ja, du hast vollkommen recht, wenn du einwendest, dass das nichts an der Situation im Außen ändert. Gehen wir also noch einen Schritt weiter, einen großen Schritt aus deiner Komfortzone heraus und werfen noch einen genaueren Blick auf deine Erwartungen. Überlegt man es sich recht, erscheint es doch ziemlich vermessen ein Projekt, eine Sache oder generell das Leben nach seinem Sinn zu befragen. Mit verschränkten Armen im Chefsessel zu thronen und zu fragen: „Na, was hast du mir zu bieten?“ Drehen wir den Spieß um und fragen wir dich: Welchen Sinn kannst du dem Projekt geben? Also bist jetzt du gefragt, und wenn du deine eigenen Werte kennst (und wenn noch nicht, geh los und werde dir klar darüber!), kannst du sie überall verwirklichen. Qualität ist dir wichtig? Okay, wie wärs wenn du parallel die besten Templates ever erschaffst. Innovation ist dir wichtig? Dann erschließ dir neue, noch unbekannte Technologien. Teaming ist dir wichtig? Es hindert dich keiner daran, ausgefallene Retros auszuklügeln.

Photo by Andrew Martin on Pixabay

 

Vom Entscheiden und Verstehen

Du bist von meinen Ideen nicht überzeugt? Nicht schlimm. Ob du bewertest oder verwertest, was ich schreibe, liegt an dir. Vielleicht fühlst du dich von meinen Zeilen aber auch noch nicht verstanden, denn du befindest dich in einem dieser verzwickten Sonderfälle, in denen keine der drei Optionen zur Verfügung steht. Weder love it noch change it und ebenso wenig leave it. Kurz gesagt: Du musst – ob du willst oder nicht. Zunächst mal: mein Beileid. Dort war ich auch schon. In jeder Richtung vor einer Sackgasse zu stehen macht hilflos. Ein unerträglicher Zustand. Und wenn du nicht dort bleiben willst, kommt hier ein letzter Kniff: „Ich muss“ ist ein verbales Konstrukt. Ein tückisches, denn es lenkt ab davon, wo die Verantwortung in Wirklichkeit liegt. Ich nehme mich selbst in einer Opferrolle wahr und beraube mich jedes Handlungsspielraumes. Dabei gibt es außer dem Sterben tatsächlich wenig, was wir wirklich müssen. Selbst wenn es Überwindung und Kraft kostet, lade ich dich ein, die Formulierung wie folgt zu ändern: “Ich entscheide mich für … , weil mir wichtig ist, dass …

Ich entscheide mich bei dieser Firma zu bleiben, weil es mir wichtig ist wirtschaftlich abgesichert zu sein. Oder: Ich entscheide mich die Anweisung meines Chefs hinzunehmen, weil es mir wichtig ist, dass ich weiterhin in seiner Gunst stehe. Beide Beispiele klingen jetzt nicht wirklich heroisch, sind dafür aber ehrlich. Und es macht etwas mit dir, wenn du deine eigenen Bewegründe erkennst und dir selbst deine Verantwortung am Ganzen eingestehst.

Vom Ende der Geschichte

Okay und wie ist nun meine Geschichte ausgegangen? Die wahre Antwort lautet: zunächst mit einer Katastrophe. Aber die hatte rein gar nichts mehr mit der Arbeit zu tun, sondern mit dem Leben an sich. Und genau aus dieser Zeit speist sich dieser Artikel, denn alle hier vorgestellten „Schlaumeiertipps“ helfen auch im richtigen Leben. Vor allem dann, wenn es wirklich ernst wird. Und noch heute, wo die Sintflut überstanden ist, stehe ich dank dieser Werkzeuge auf einem soliden Fundament, kenne die Kraft meiner inneren Stellhebel und habe mehr Spaß an der Arbeit denn je (letzteres könnte allerdings auch am neuen Arbeitgeber liegen). Mein abschließender Hinweis lautet daher: Übersieh in deinem Frust nicht die guten Aspekte deines Lebens, die du irrtümlicherweise für selbstverständlich hältst.

Unzufrieden zu sein ist dein gutes Recht.
Unzufrieden zu bleiben ist ein fahrlässiges Delikt an dir selbst.

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