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Unternehmenskultur, Softwareentwicklung und Architektur

28. Juni 2021

Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich sehe, was ich male?

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5 Minuten Lesedauer

Früher nannte man es “Kritzeleien” – heute heißen sie “Sketchnotes”. Egal, wie man sie nennt, es handelt sich um visuelle Notizen, bei denen man Bilder und Text nach eigener Manier miteinander kombiniert.

Und dabei geht es nicht darum Kunstwerke zu erstellen. Sie helfen eher dabei sich zu konzentrieren und zu erinnern und machen nebenbei noch extrem viel Spaß – gerade dann, wenn sie NICHT schön sind. Während du jetzt meinen Blogeintrag liest, nimm doch einfach selbst dabei den Stift in die Hand und gestalte deine ersten Sketchnotes dazu.

Man reiche mir ein Whiteboard

Mitunter ging ich meinen Kollegen mit meiner Weigerung, Meetings ohne Whiteboard und Stift in der Hand abzuhalten, gehörig auf die Nerven (und nicht nur damit). Sobald wir gemeinsam etwas vor Ort diskutiert haben, sind Bilder entstanden. OK, die Schrift konnte man oft nicht wirklich lesen, aber am Ende hatte man ein gemeinsames Bild.

Und nun? In Zeiten von Onlinemeetings griffen wir schnell auf Miro & Co zurück. Das funktioniert durchaus gut. Schnell habe ich mich aber dabei ertappt, dass ich nebenbei auf Papier zusätzliche Worte, Ausrufezeichen oder Smileys gekritzelt habe.

Und dann kam die erste Onlinekonferenz und ich fand meinen Platz am ersten Abend voller bunter Blätter wieder – dabei war doch Frühling und kein Herbst. Neu war mir das eigentlich nicht, schließlich sahen schon zu Schul- und Studienzeiten meine Mitschriften so aus. Auch damals hat es mir geholfen nicht gedanklich abzuschweifen, sondern aktiv zuzuhören.

Aber es kommt nicht nur darauf an sich selbst zu konzentrieren – sondern auch ein Filtrat bzw. Konzentrat des Gehörten zu erstellen. Und erstaunlicherweise passen die “key takeaways” oft auf eine einfache A4-Seite.

Reflektieren und Erinnern – meine “Schätze

An dieser Stelle würde ich gern ein paar meiner liebsten Kritzeleien mit euch teilen – vielleicht habt ihr ähnlichen Spaß daran wie ich.

Software-/Architekturreviews

Als Softwarearchitekt kommt man nicht nur gut voran, indem man selbst Software oder IT-Landschaften mitgestaltet – sondern auch, indem man sich bei anderen etwas abschaut. Und dafür sind Architekturreviews perfekt. Vor allem, wenn man diese genau als das sieht: als Chance von anderen zu lernen und mit anderen zu diskutieren, warum sie was wie gemacht haben. Denn oft haben Reviews den Beigeschmack von “jetzt kommt einer meckern”.

Beim Software Architecture Summit hatte ich die Freude am Software Review Praxisworkshop mit Dr. Gernot Starke teilzunehmen.

Mein schönstes “Mitnehmsel” aus dieser Session ist das “2 F(Ph)ac(s)e Commit” der Review-Ergebnisse.
2 faces = immer mindestens zu zweit finalisieren
2 phases = immer mit den Entwicklern/Architekten nochmal gegenprüfen, bevor die Ergebnisse an Dritte weitergegeben werden.

Team Retrospective

Ein wichtiger Punkt: Focus – na klar, aber worauf?
Die Antwort liegt auf dem Tisch: auf uns!

Architekturdiskussion rund um Enterprise Architektur

Was sind denn nun wirklich sinnvolle Macro- und Micro- Architekturvorgaben und -themen? Wie so vieles – eine Frage der Sichtweise und Relation.

Diskussion um ISO25010 Qualitätsanforderungen

Neben Anforderungen wie Wartbarkeit, Skalierbarkeit, Bedienbarkeit etc. gibt es eine “-keit”, die oft die Priorität der anderen “-keiten” am Ende noch mal beeinflusst: die Bezahlbarkeit aller gewünschten Merkmale. – Schade eigentlich …

Wie sollten agile Teams aussehen?

Wer hat nicht schon von dem Wunsch nach Fullstack-Entwicklern, DevSecOps Engineers etc. gehört. Früher nannte man das eierlegende Wollmilchsau. Aber ist es wichtig, dass jeder alles kann? Meine Meinung sieht man ziemlich deutlich: Das Team sollte es können. Und jeder sollte sich dafür interessieren – für mich kommen da T-shaped skills am ehesten ran.

Architekturansätze in der Praxis

An dieser Stelle möchte ich nur meinen Kollegen Kay Thriemer zitieren: “Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis größer als in der Theorie.”

Code Reviews – From Bottleneck to Superpower

Beim Software Architecture Summit im März hat mich Dr. Michaela Greiler mit ihrem Vortrag begeistert. Sich noch mal klarzumachen, dass man für Code Reviews auch ganz viele Soft Skills braucht, um den gesamten Vorgang erfolgversprechend zu gestalten, ist eigentlich logisch, wenn auch auf den ersten Blick nicht immer offensichtlich. Und schriftliche Pull-Request-Kommentare ersetzen auch keinerlei direkte Kommunikation. Sonst interpretiert jeder etwas anderes in die links unten umgefallene Zahl.

Software-Architekturansätze

Als letztes noch zwei Zitate von Stefan Tilkov aus seinem Workshop beim Software Architecture Summit zu “Mit qualitätsgetriebener Software-Architektur zur richtigen Modularisierung” – in Sketchnotes verpackt.

Eins bezieht sich auf die Impacts verschiedener Architekturansätze (Microservices, Self-contained Systems oder gar Monolithen) – und warum brauchten wir nach SOA was Neues?

Das andere Zitat betrifft die Wartbarkeit von Systemen, die ja oft eine Kernanforderung ist. Aber was heißt das denn heutzutage mit eher leichtgewichtigen Architekturen?

Papierloses Büro?

Also ja, wirklich ökologisch ist so eine Zettelwirtschaft nicht, ich weiß. Ich habe es mit Miro probiert, mit dem passenden Touchscreen und zugehörigem Stift funktioniert das ganz gut. Und man hat die Vorlagen gleich kopierbereit parat.

Für mich fühlen sich jedoch der Stift in der Hand und ein Blatt Papier auf dem Tisch einfach intuitiver an. Außerdem ist der Wechsel des Blicks mal weg vom Bildschirm zumindest für die Augen recht erholsam. Auch das Gehirn verarbeitet die Dinge anders. Aber das ist reine Geschmacksache – und die Zettel landen auch nicht unbedingt im Papierkorb, sondern durchaus zur Erinnerung an der Pinnwand.

Funktioniert das immer?

Naja, eine Herausforderung – oder nennen wir es einfach Problem – vor allem in Videokonferenzen: Ohne hinschauen klappt das nicht wirklich gut mit dem Malen. Das bedeutet: Blick nach unten aufs Papier und die anderen Meeting-Teilnehmer sehen vor allem die Frisur von oben. Mit etwas intelligenter Kamerapositionierung und aktiver Kommunikation, was man da tut, lässt sich aber auch das mitigieren. An dieser Stelle möchte ich meinen Kollegen Andreas Siegel zitieren:

“Das ist echt schön zu beobachten:
Wenn ich dich in Meetings beschäftigt sehe,
denke ich schon fast unmittelbar,
dass du dazu passende Bildchen malst.” 

Und ganz eindeutig: Die digitalen Mitschriften kommen dabei zu kurz. Beides parallel? Ich bin eine Frau, angeblich können wir das … Naja, Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel. Und selbst mit Zeitscheibenverfahren kommt man nicht wirklich weit. Also heißt es: entweder nett mit den Augen klimpern, so dass die Kollegen die Details mitschreiben, oder Stift aus der Hand und Finger auf die Tastatur.

Oder am Ende meine Lieblingsalternative: Die Sketchnotes einfach digitalisieren und als Teil der Meeting Minutes abzulegen schafft Akzeptanz und Freude im ganzen Team.

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